Jüdischer Friedhof zu Adelebsen
Informationen über den Jüdischen Friedhof zu Adelebsen
Durch Zuwanderungen ab dem Jahre 1670 nahm der jüdische Anteil an der Bevölkerung im ländlichen Raum merklich zu. Es ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass den damaligen Landherren das Recht eingeräumt wurde, Schutzbriefe für Juden auszustellen, um dafür von den Juden hohe Geldbeträge zu fordern.
So siedelten sich Ende des 17. Jahrhunderts vermehrt jüdische Mitbürger an, um Handel zu betreiben und am wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen. Im 18.Jahrhundert betrug der Anteil an der Gesamtbevölkerung in Adelebsen über 12 %, so dass Adelebsen den Beinamen „Klein Jerusalem“ erhielt.
Die jüdische Bevölkerung erhielt vermutlich von den Herren zu Adelebsen Landbesitz, um außerhalb des Ortes einen Friedhof, den sie „Haus des Lebens“, „Haus der Ewigkeit“ nannten, zu errichten. In der schwer zugänglichen steilen Lage des Friedhofes spiegelt sich die soziale Ab- und Ausgrenzung wieder.
Das Areal umfasst 3918 m², wovon rund 2.483 m² mit Grabsteinen, Stelen und Grabplatten belegt sind. Mit 236 erhaltenen Grabstellen ist der Jüdische Friedhof zu Adelebsen von rund 216 Friedhöfen im Land Niedersachsen einer der größten und bedeutsamsten im südniedersächsischen Raum. Anders als bei christlichen Grabkulturen dürfen die Grabstellen nicht beseitigt oder eingeebnet werden – sie sind Eigentum des dort Bestatteten – und zeugen noch heute von einer einst lebendigen Kultur. Alle Steine sind nach Osten in Richtung Jerusalem ausgerichtet.
Der älteste Stein datiert aus dem Jahre 1733, der jüngste aus dem Jahre 1948. Mit dem Textilhändler Noa Rothschild verbindet Adelebsen eine besondere Beziehung. Er wurde 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, befreit und kehrte 1945 als einziger überlebender Jude des Holocaust aus Adelebsen nach Adelebsen zurück, wo er 1948 eines natürlichen Todes verstarb.
Seither gab es keine Beisetzungen mehr. Der Friedhof verwilderte und die Steine wuchsen zu oder fielen um. Allenfalls Schulklassen schenkten ihm von Zeit zu Zeit Beachtung.
Durch großzügige finanzielle Hilfen namentlich durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und anderen Institutionen wurde der Friedhof in den Jahren 2000-2004 durch die Firma Schmalstieg aus Großburgwedel saniert und die Steine wiederaufgebaut und restauriert.
Die Pflege obliegt seitdem dem Bauhof des Flecken Adelebsen, der vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hannover eine jährliche Pflegepauschale erhält. Der Friedhof ist heute ein hervorragendes Zeugnis Jüdischer Grabkultur und wird vom Landesverband gerne als „Vorzeigeobjekt“ betitelt.
In den Jahren 2005 - 2010 wurden abermals Spenden von Sponsoren gesammelt, um eine umfassende Dokumentation mit den Namen „Im Steilhang-Der jüdische Friedhof zu Adelebsen“ herauszugeben. Maßgeblichen Anteil hieran hatten Herr Prof. Dr. Berndt Schaller sowie Herr Eike Dietert. Durch die Dokumentation ist es den Besuchern, die des hebräischen nicht mächtig sind, möglich, mehr über das einstige Leben der dort Bestatteten zu erfahren. Jeder Stein erzählt eine eigene Geschichte. Die Dokumentation kann im Rathaus des Flecken Adelebsen zum Preis von 22,50 € erworben werden.
Um den 64 namentlich bekannten ehemaligen jüdischen Mitbürgern, die in den Konzentrationslagern umgekommen sind bzw. ermordet wurden, hier auf dem Friedhof eine letzte Ruhestätte zu gewähren, konnte mit Hilfe von weiteren Spendengeldern ein Findling aufgestellt werden, auf dessen Glasplatte die Namen derer zu finden sind. Der Rat des Flecken Adelebsen hatte sich im Jahre 2012 für diese Art des Gedenkens ausgesprochen.
Der Jüdische Friedhof zu Adelebsen soll den Besuchern ein Ort der Erinnerung und Mahnung zugleich sein.
„Nur wer die Erinnerung wach hält, kann verhindern, dass sich das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte wiederholt“
Englischsprachige Internetseite zum Leben der jüdischen Mitbürger in Adelebsen:
http://www.jewsofadelebsen.com
Pressemitteilung zur Enthüllung des Gedenksteins auf dem Jüdischen Friedhof
Der Flecken Adelebsen – am Rande des Solling im südlichen Niedersachsen gelegen – kann auf eine mehr als 300 Jahre dauernde Geschichte jüdischen Lebens zurückblicken. Im 19. Jahrhundert wurde er wegen des hohen Anteils jüdischer Einwohner sogar als „Klein Jerusalem“ bezeichnet. Heute erinnern daran im Ortsbild nur noch ganz wenige Spuren. Sichtbar „überlebt“ hat wie die meisten Totenäcker der vernichteten jüdischen Gemeinden in Deutschland (230 allein in Niedersachsen) nur der Friedhof. Dieses nach jüdischem Brauch so genannte „Haus des Lebens“ als historische Quelle zu erschließen und als Stätte der Erinnerung zugänglich zu machen, ist das Ziel der vorliegenden Dokumentation, ein Stück unerledigter und notwendiger Trauerarbeit.
Die Dokumentation entstand im Auftrag des Flecken Adelebsen anlässlich der im Herbst 2004 abgeschlossenen Sanierungsarbeiten des jüdischen Friedhofes.